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THOMAS HÜBL

Demokratien brauchen Entgiftungsprozesse

Mitschrift von “The Detox Phase of Democracies”, 4. Folge des “Point of Relation”-Podcasts von Thomas Hübl (übersetzt ins Deutsche)

In dieser Folge spricht Thomas darüber:

  • Wie sich die Kräfte des Seins, des Werdens und der Zugehörigkeit auf Demokratien auswirken
  • Die Notwendigkeit, dass Stressoren als Störungen an die Oberfläche kommen, damit sie angesprochen, entgiftet und in die Gesellschaft integriert werden können
  • Wie Demokratien von “Verdauungsräumen” profitieren würden, in denen Menschen zusammenkommen, um Traumata zu verarbeiten
  • Systemische Ressourcen und wie wir gesellschaftliche Kohärenz aufbauen

“Hallo und herzlich willkommen zu meinem Podcast. Heute möchte ich ein wenig über den Zustand unserer Demokratien sprechen. Warum ich das tun möchte? Weil ich gerade von einem Workshop komme, den ich in den letzten Tagen in Deutschland geleitet habe und in dem wir uns intensiv mit der Verbindung zwischen dem demokratischen Prozess, Demokratien und kollektiven Traumata beschäftigt haben. Warum ist das Wissen über kollektive Traumata, ein tieferes traumainformiertes Verständnis, wichtig für uns, um widerstandsfähige, nachhaltige, kohärente Demokratien aufzubauen?

Ich meine, das ist natürlich ein sehr komplexes Thema, aber ich möchte einige der wichtigsten Gedanken und Prozesse mit dir teilen, die auch während des Workshops, aber natürlich auch schon vorher, aufkamen. Einer davon ist, dass mir durch meine Arbeit in den letzten 20 Jahren bewusst geworden ist, wie kollektive Traumata menschliche Systeme beeinflussen. Es wirkt sich natürlich auf den Einzelnen aus, aber auch auf Organisationen, Gesellschaften und unsere globale Menschheit.

Wir alle wissen, dass Demokratien evolutionär gesehen noch jung sind und wir aus einer langen Phase der Machtausübung in Herrschaftshierarchien herausgekommen sind. Wo Hierarchie bedeutet, dass es jemanden gibt, der stark ist oder mehr Macht hat, der in gewisser Weise unsere Bewegung und Freiheit einschränkt und zumindest über einige lebenswichtige, existenziell wichtige Dinge für uns entscheidet. Eins davon ist die Redefreiheit und die freie Meinungsäußerung. Oder eine tiefere Entwicklung der Menschenrechte.

Aber was waren die Menschenrechte? In meiner Arbeit beziehe ich mich auf die Menschenrechte als das Recht, im Leben zu sein, einen Platz im Leben zu haben, der heilig ist. Das Recht zu werden, die eigene Kreativität und Intelligenz zu entwickeln und in der Lage zu sein, diese Intelligenz mit unserer Umwelt zu verbinden. Das Recht, dazuzugehören und ein gesundes, sinnvolles Beziehungsnetz zu schaffen.

Und so sind diese drei Kräfte, Sein, Werden und Zugehörigkeit, in jedem von uns vorhanden. Und wir wollen dies auch in jedem anderen unterstützen. Wir respektieren also die Menschenrechte in jedem anderen, indem wir diese drei Kräfte respektieren. Aber die Macht in herrschaftsbasierten Hierarchien tut das nicht. Und so sind wir immer noch sehr verwundet und verletzen manchmal, sehr gewaltsam, die Menschenrechte, und das ist auch heute noch so.

Andererseits haben die Demokratien einen Raum geschaffen, in dem wir einen Sprung in eine andere Form menschlicher Systeme und Gesellschaften gemacht haben. Aber wie ich schon sagte, befinden wir uns immer noch in einer jüngeren Form von Demokratien. Und unser heutiges Gespräch dreht sich darum, was passiert, wenn wir einen sichereren Raum schaffen, in dem jeder sprechen kann. Einen sichereren Raum, um präsent zu sein. Einen sichereren Raum, in dem ich mich selbst ermächtigt fühle. Ich habe Einfluss, ich kann meine Qualitäten in den demokratischen Prozess einbringen und zur Gesellschaft beitragen und auch die Vorteile der Gesellschaft nutzen. Und wenn wir diesen sicheren Raum schaffen, dann passiert etwas in unserem Nervensystem und unserem Körper.

Denn wenn es mehr Sicherheit gibt, sagt unsere innere Welt tatsächlich: “Wow, das ist wirklich toll. Weil es jetzt also sicher ist, kann ich aufhören, einige meiner Wunden festzuhalten. Ich kann teilweise loslassen und sie an die Oberfläche kommen lassen.” Wenn wir also ein bestimmtes Maß an Kohärenz oder Beziehungssicherheit oder eine Umgebung erreichen, die sicher genug ist, beginnt unsere innere Welt, sich zu entgiften.

Wenn konflikthafte Dinge auftauchen, dann sehen wir regelmäßig, dass in unseren Gesellschaften ein Entgiftungsprozess in Gange kommen will. Wenn dann neue Stressoren hinzukommen, wie die Pandemie-Situation in der Welt, oder Kriege, also neue Faktoren, die eine Menge zusätzlichen Stress erzeugen, dann kann das zu einer weiteren Kontraktion führen. Aber wenn es möglich ist, will das Leben entgiften, und sich selbst heilen.

Und deshalb denke ich, dass Demokratien immer wieder Prozesse der Inkohärenz durchlaufen, in denen es chaotischer, gestörter, dysfunktionaler aussieht. Es sieht so aus, als ob es sehr chaotisch ist, und es scheint eine Störung zu sein, aber diese Störung ist notwendig, um eine höhere Ebene der Kohärenz zu schaffen.

Wir müssen sehen, dass es zum Beispiel Gewalt gegen Frauen gibt. Es gibt eine Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Und um das auszugleichen, muss etwas geschehen.

Konflikte müssen an die Oberfläche gebracht werden, um eine Art Störung zu erzeugen, die eine neue Kohärenz ermöglicht, die stabiler und gerechter oder gleichberechtigter ist als das, was wir vorher hatten. Das Gleiche gilt für Rassismus, Antisemitismus, für vieles mehr. Es muss an die Oberfläche kommen, damit viele Millionen Menschen lernen und wachsen und zu einem höheren Maß an Kohärenz gelangen können. Dadurch wird die Welt für uns alle ein besserer Ort, um zusammenzuleben.

Die demokratische Resilienz wächst also durch Wellen der Entgiftung. Aber wenn wir uns in dieser Phase der Entgiftung befinden, sieht es so aus, als ob die Dinge überhaupt nicht funktionieren oder sehr schwierig sind. Und für unsere Führung, aber auch für jeden einzelnen von uns, das können wir in unserer persönlichen Entwicklung sehen, aber auch in der organisatorischen und kulturellen Entwicklung, brauchen wir diese Phasen, um die bis jetzt verpassten Lektionen aufzuarbeiten.

Die Lektionen sind noch nicht gelernt. Die Trauma-Informationen, die im System gespeichert sind, müssen erst in unser Bewusstsein kommen, damit wir sie verdauen können. Wir brauchen also Räume, wir müssen Räume schaffen, Verdauungsräume, für den demokratischen Prozess, für die unverarbeiteten Informationen. Und Verdauung führt zu Integration. Wohin gehen all die Nährstoffe aus unserer Nahrung?

Sie werden in unseren Körper integriert. Wohin gehen die herausfordernden Situationen und alles, was wir erleben? Wenn wir diese Erfahrungen integrieren, wird daraus ein Lernen. Wir lernen etwas, unsere Perspektive erweitert sich. Deshalb sage ich oft, dass Weisheit damit zusammenhängt, wie viel Welt ich in mein Leben integrieren kann.

Wie viel Welt taucht also in mir auf, im Sinne eines inneren Raums in meiner inneren Welt, der in die Art und Weise, wie ich Entscheidungen treffe, wie ich handle, wie ich spreche, wie ich mich in der Welt bewege, einbezogen werden kann? Und wenn die Welt in Milliarden von Menschen zu einem höheren Grad innerlich beherbergt werden kann, haben wir eine höher entwickelte Gesellschaft. Je mehr von der Welt ausgeschlossen und ausgegrenzt werden muss, desto geringer ist die gesellschaftliche Kohärenz.

Wir leben also in einer Gesellschaft mit weniger Fähigkeiten, weniger kollektiver Intelligenz, mehr Reibung, mehr Fragmentierung, mehr Polarisierung, mehr Fremdbestimmung. All das sind im Grunde Trauma-Symptome. Denn Trauma beeinträchtigt oder verletzt unsere Beziehungsfähigkeit, und Beziehung integriert das Trauma in höhere Funktionalität.

Ich glaube, wir brauchen ein Verständnis dafür, dass wir als Demokratien Entgiftungswellen durchlaufen. Dass, was auftaucht, müssen wir integrieren, und wir sollten nicht versuchen, es loszuwerden. Sondern versuchen, es wirklich zu betrachten, zu integrieren und zu lernen, so dass wir unseren gesellschaftlichen Diskurs und unsere Realität auf eine neue Entwicklungsstufe heben können.

Entwicklung geschieht also nicht nur von oben nach unten, durch Innovation, durch Updates und durch die Zukunft, die sich manifestiert, sondern Evolution geschieht auch durch das Öffnen der ungelernten Lektionen, die noch im Permafrost unserer Kulturen eingefroren sind. Die müssen aufgetaut werden. Sie müssen angeschaut, verdaut und integriert werden, damit wir das ethische Lernen ernten, das noch fehlt, um mit dem technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt von heute umzugehen.

Wir sehen, dass es innerhalb einer Herrschaft oder einer Machtstruktur keinen Raum gibt, in dem wir uns sicher fühlen können, um zu entgiften. Was tun wir also? Wir häufen Konflikte in uns an. Wenn ich also kein Recht habe zu sagen, was ich fühle, dann staue ich das auf. So sammeln sich Dinge in den Nervensystemen von Millionen von Menschen an. Es kann nirgendwo hingehen. Und so halten wir weiter fest. Aber wenn wir plötzlich zu einem demokratischen System übergehen, gibt es freie Meinungsäußerung, die Menschenrechte werden respektiert, es gibt gleiche Rechte, auch wenn unsere Demokratie noch nicht so weit ist, aber wir sind auf dem Weg dorthin, sagen wir mal.

Und der Reifegrad wächst, weil die Demokratie auch reife Bürger braucht. Überall dort, wo ich Entwicklungsanteile habe, die rückschrittlich sind, da gebe ich Macht ab. Das ist der Punkt, an dem ich meinen Beitrag für die Gesellschaft nicht voll einbringe. Deshalb fühle ich mich nicht ermächtigt. Deshalb projiziere ich viel auf die Führung. Und deshalb denke ich oft in Schwarz und Weiß. Entweder dies oder das.

Es geht nicht darum, dass das Leben komplex ist, ich kann Paradoxien und Widersprüche in meiner eigenen inneren Welt erkennen, ohne sie sofort zu verwerfen. Ich kann sehen, dass mehrere Dinge gleichzeitig wahr sein können, aber nicht absolut wahr. Und so habe ich einen viel größeren Weltinnenraum in mir, wenn ich durch eine reife Linse schaue. Und einige von uns blicken zu bestimmten Zeiten in ihrem Leben durch eine reife Linse, aber vielleicht nicht die ganze Zeit.

Wir haben also regressive Momente, wir haben traumatisierte Entwicklungsanteile in uns, und das sind die Anteile, die auch gesellschaftliche Dynamiken erzeugen, und auch viel größere kulturelle Wunden, die nicht integriert worden sind. Sie erzeugen eine Menge gesellschaftlicher Dynamiken, weil es eine Menge Brüche gibt, eine Menge Polarisierung, eine Menge “Othering” (auf die anderen projizieren), wo wir unverdaute Wunden, massivere Wunden, in unsere Gesellschaften tragen. Der entscheidende Begriff ist also Kohärenz.

Aber was ist Kohärenz? Kohärenz wird durch den Aufbau von Beziehungsfähigkeiten geschaffen. Wenn ich mit dir in Beziehung bleiben kann, während wir einen Beziehungsstreit haben, während wir die Dinge scheinbar sehr unterschiedlich betrachten, und wir können einen Beziehungsraum offen halten, dann können unsere unterschiedlichen Perspektiven in einem Aushandlungsprozess innerhalb der Beziehung Platz finden. Aber wenn wir uns abkapseln, wenn wir uns gegenseitig voneinander abschneiden und die Kluft immer größer wird, ist es schwieriger, unterschiedliche Inhalte auszuhandeln.

Und das ist, denke ich, das Gegenteil von Kohärenz. Es ist die Verschlechterung der Kohärenz. Je mehr Trennung wir also sehen, je mehr Auflösung von Beziehungsräumen, desto geringer ist die Kohärenz. Je mehr wir die Kohärenz erhöhen, desto mehr wächst die Beziehungs-Intelligenz und der kollektive Datenstrom zwsichen uns.

Und je mehr kollektive Datenströme wir sehen können, desto mehr haben wir eine Basis, um die Inkohärenz in der Kohärenz zu halten. Die Inkohärenz wird also in der systemischen Kohärenz gehalten, die nicht fragmentiert, wenn Fragmentierung auftaucht. Das ist die Alchemie der menschlichen Entwicklung. Die systemische Kohärenz ist die Ressource des Systems und hat die Macht, die Inkohärenz und die Fragmentierung aufzunehmen.

Wenn die systemischen Ressourcen zu schwach sind, dann geraten wir in sich wiederholende Zyklen der Retraumatisierung oder der Wiederholung bestimmter alter Verhaltensweisen und bestimmter Situationen. Wenn die systemische Kohärenz wächst, haben wir sie verändert, weil wir plötzlich eine Entwicklung sehen, auch wenn sie langsam ist, aber wir sehen eine Entwicklung.

Das ist wie bei einem Fluss und einem Boot. Wenn das Wasser zu niedrig ist, bleibt das Boot auf dem Grund stecken. Aber wenn genug Wasser im Fluss ist, schwimmt das Boot weiter, auch wenn es langsam ist. Und so ist die Ressource hier das Wasser. Es ist die Bewegung des Lebens. Wenn die Stagnation zu schwer ist, dann bleibt es stecken und bewegt sich nicht mehr. Das ist dann wirklich festgefahren.

Aber wenn es immer noch fließt, dann nehmen wir die Schwierigkeiten mit uns und entwickeln uns weiter oder verwandeln sie langsam in etwas Neues. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Faktor für die Entwicklung von Gesellschaften und für größere Themen, die wir lösen müssen. Systemische Ressourcen und wie wir Kohärenz aufbauen.

Wie wir also Kohärenz aufbauen, ist da zunächst die Ebene der Kohärenz, die jeder von uns in sich trägt. Das ist die Ebene der Authentizität, des Selbstkontakts, des Bewusstseins, der inneren Präsenz, der Beziehungsfähigkeit, die Fähigkeit, meine Weltanschauung in den Raum zu bringen. Und die Fähigkeit, deine Weltanschauung anzuhören, auch wenn sie meiner widerspricht. Und einen gemeinsamen Raum zu finden, in dem wir noch einen Beziehungsraum halten können, der uns beide aufnimmt.

Warum gehen wir zu Therapeuten, wenn wir nicht weiterkommen? Weil wir die Ressourcen eines anderen in Anspruch nehmen können, die systemischen Ressourcen, die des Therapeuten und meine, erhöhen können, und das hilft mir, mehr “Wasser”, mehr Raum zu haben. Das hilft mir also, meine Last zu bewegen und weiter zu entwickeln. Warum müssen wir in Gruppen zusammenkommen, um kollektive Themen zu bearbeiten? Weil wir mehr Ressourcen zusammenbringen, und das hilft uns, kollektive Themen mit einer kollektiven Intelligenz zu betrachten. Kollektive Intelligenz ist also eine enorme Heilkraft.

Wenn wir uns also den demokratischen Prozess ansehen, glaube ich, dass eines der kollektiven Trauma-Symptome darin besteht, dass wir nicht genügend eingebaute, vom Staat finanzierte Verdauungsräume haben. Was zum Beispiel durch die Pandemie in den letzten zwei Jahren passiert ist, muss erst einmal verdaut werden. Und natürlich versuchen viele Menschen, den Prozess durch private oder freundschaftliche Interaktionen zu verarbeiten.

Aber ich denke, wir brauchen auch viel größere kollektive Räume, in denen wir die Not und die Schwierigkeiten und manchmal den Verlust und die existenzielle Bedrohung verdauen können. Denn die Menschen haben ihre Arbeit verloren, und die Wirtschaft hat sich sehr verschlechtert, und das hat für viele eine Menge Folgeeffekte.

Wir brauchen einen Raum, um das zu verarbeiten. Dass wir sehen: “Oh, wir sind nicht allein.” Wir sind eigentlich eingebettet in ein großzügigeres Umfeld. Wir sind keine Einzelkämpfer, sondern wir sind eigentlich Gemeinschaften von Menschen, die sich gegenseitig unterstützen. Aber je schwieriger es wird, desto mehr fühlen wir uns oft allein, weil wir aufhören, die Hand auszustrecken, weil wir uns nicht genug unterstützt fühlen. Wir fühlen uns entfremdet oder im Stich gelassen. Und dann ziehen wir uns zurück.

Je mehr wir uns zurückziehen, desto schwieriger wird es. Der Aufbau relationaler und kollektiver Kohärenz bedeutet also, dass wir den kollektiven Datenfluss am Leben erhalten. Wir kümmern uns um den kollektiven Datenfluss. Wir investieren also in seine Kraft, weil wir wissen, dass dies das Wasser ist, das wir brauchen, um unsere kollektive Last voranzubringen und den Prozess in Fluss zu halten.

Aber das braucht uns alle. Es ist nicht so, dass es jemand für uns tut. Wir müssen es tun. Jeder, der das will, muss es tun. Wenn ich in einer traumatisierten Welt leben will, ist das großartig, also muss ich traumatisiert werden und ich fange automatisch an, in einer traumatisierten Welt zu leben, weil ich das um mich herum schaffe. Aber ich warte nicht darauf, dass jemand anderes mich da herausholt, denn dann wird es nicht passieren. Denn wenn jeder darauf wartet, dass jemand anderes es tut, werden wir es nicht haben.

Auf diese Weise tragen wir zu der kollektiven Kohärenz bei, die wir anstreben, oder wir schließen uns bereits bestehenden Räumen an, in denen wir die kollektive Intelligenz nutzen und auch einige der Wunden heilen können. Wir wissen, dass dies ein sehr gesunder Prozess ist, auch wenn er oft nicht angenehm ist. Aber wenn wir durch eine solche Phase gehen und am anderen Ende des Tals wieder herauskommen, dann scheint wieder die Sonne und wir werden stärker und weiser. Und ich denke, darum ist es es wert, es zu tun.

Einer der Räume, z. B. innerhalb unserer NGO (Nicht-Regierungs-Organisation) The Pocket Project, die sich mit kollektiven Traumata auf der ganzen Welt befasst, sind regelmäßige Online-Treffen, bei denen die Menschen an einen kollektiven Verdauungsraum teilnehmen, und das ausprobieren können. Wir haben Global Social Witnessing Online-Treffen, bei denen wir Zeuge kollektiver Ereignisse werden und erfahren, wie sie sich auf uns auswirken. Und wie wir die Auswirkungen verdauen können, die zum Beispiel ein Krieg oder eine bestimmte Situation in der Welt auf uns hat. Und im Austausch lernen wir, wie der gesellschaftliche Körper das verdaut.

Aber auch kleinere Gruppen können das leisten, Treffen die wir zu Hause mit Freunden bilden, wo wir uns vornehmen: “Okay, lasst uns einander einfach zuhören.” Nicht um Ratschläge zu erteilen, nicht um einander gute therapeutische Tipps zu geben, sondern wir wollen einfach nur, dass jemand zuhört.

Wenn wir aufmerksam zuhören, uns einfühlen und einfach mit offenem Herzen da sind, können wir uns gegenseitig erzählen, wie wir die Pandemie erlebt haben, wie wir die Pandemie durchlebt haben und wie sich mein Prozess mit der Pandemie entwickelt hat. Nicht nur das Virus hat sich entwickelt und ist mutiert, auch wir haben uns entwickelt. Wer war ich also vorher und wer bin ich jetzt?

Und das sind sehr wichtige Überlegungen, denn wir sehen: Wow, auch wenn es schwer war, viele Dinge haben sich entwickelt, unser Umfeld hat sich entwickelt. Was haben wir als Menschheit gelernt? Und auch, was schwierig war, und wenn ich darüber spreche, entdecke ich, dass ich immer noch etwas von dem Stress oder der Angst in mir trage, die durch die Ungewissheit aufkamen.

Und dann sehe ich, dass ich durch den Austausch und das Zuhören auch verdauen kann, und wir können gemeinsam verdauen und noch mehr lernen. Wir bieten also auch diese Art von Verdauungsräumen an. Und es gibt auch andere Gruppen und Organisationen in der Welt, die zusammenkommen und diese Art von Raum anbieten. Ich hoffe, dass dies eine Inspiration ist, Demokratie auch ein wenig durch eine kollektive traumainformierte Linse zu betrachten, und als Teil meines Podcasts, dem Point of Relation. Heute haben wir also eine Beziehung zum Entgiftungsmechanismus unserer Demokratien hergestellt. Ich danke Ihnen für Ihre Teilnahme und bis bald.” Thomas Hübl

Hier ist der Podcast als Video auf Englisch:

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